Samstag, 13. Juli 2013

Insolvenz: Manager müssen sich neu definieren

Niedermeyer, Dayli, Alpine. Das sind die bekanntesten drei der 2819 österreichischen Unternehmen, die im ersten Halbjahr dieses Jahres zahlungsunfähig wurden. Das sind zwar um knapp acht Prozent weniger Insolvenzen als in den ersten sechs Monaten des Jahres 2012, doch die geschätzten Passiva schnellten im Vergleich um 171 Prozent auf 3,8 Milliarden Euro. Die Zahl der betroffenen Beschäftigten stieg um 80 Prozent auf 17.500.

Die Insolvenz mit dem drohenden oder tatsächlichen Verlust des Arbeitsplatzes „ist für alle Beteiligten ein traumatisches Ereignis“, sagt Raimund Steiner, Leiter der Wiener Niederlassung der Personalberatung Egon Zehnder. Für Führungskräfte stelle sich neben der ungewissen Zukunft in vielen Fällen eine weitere, belastende Frage: „Habe ich den Misserfolg zu verantworten?“

Klares, kantiges Profil entwickeln

Bevor sie einen neuen Job in Angriff nehmen, müssten Manager daher zwei Aufgaben für sich lösen, sagt Steiner: „Es geht darum, sich selbst neu zu definieren und aktiv mentale Vergangenheitsbewältigung zu betreiben.“

Für diese Prozesse brauche es „achtsame Reflexionspartner“, wie Steiner sie nennt. Menschen, mit denen die oft dramatischen Geschehnisse sachlich und offen aufgearbeitet werden können. Die Devise lautet: „Dinge offen ansprechen und nichts vertuschen.“

Schließlich gehe es für Manager darum, sich von der vertrauten Selbstdefinition über das ehemalige Unternehmen zu lösen. Ziel sei, zu einem „Das bin ich“-Denken zu kommen, in dem die Identifikation ausschließlich über das Selbst erfolgt.

Dieses neue Profil schaffe Berechenbarkeit für einen neuen Arbeitgeber: „Es soll klar und kantig sein, in ihm sollen Werthaltungen, Stärken und Schwächen dargelegt werden“, sagt Steiner.

Das könne jenen gelingen, die sich von der Marke, für die sie gearbeitet haben, gedanklich trennen, und ihre eigene Marke schaffen. Dabei kommen Manager um einige Fragen nicht herum: Welche Führungskulturen und -stile liegen mir? Welche Größe soll das Unternehmen haben, für das ich arbeiten will? Welche Aufgaben will ich künftig (nicht mehr) übernehmen? Denn wer sich lediglich auf seine breite Erfahrung berufe, mache es potenziellen Arbeitgebern schwer, die tatsächlichen Kompetenzen einzuschätzen, sagt Steiner.

Aus den Fehlern lernen

Entscheidender Faktor sei die individuelle Lernfähigkeit, ist Steiner überzeugt: „Wo habe ich selbst Schuld oder Mitschuld, dass es mit dem alten Unternehmen so weit gekommen ist und welche Schlüsse kann ich daraus ziehen?“ Wer das offen und zukunftsorientiert anspreche, wirke gegenüber einem neuen Arbeitgeber glaubwürdig. Wer die Schuld nur bei den anderen sehe, sich als Opfer darstelle oder gar mit dem Finger auf andere zeige, werde schlechtere Chancen haben. Aufgabe von Führungskräften sei es ja gerade, Verantwortung zu übernehmen.

„Nicht ein singuläres Ereignis ist in der Regel Ursache für unternehmerisches Scheitern“, sagt auch Günter Senoner. Er leitet die Personalentwicklung bei Österreichs größtem Bauunternehmen, Strabag. Er rät Managern aus insolventen Betrieben für Bewerbungsgespräche, „sich als Teil eines ,Systems‘ zu verstehen, das in der praktizierten Form unternehmerisch nicht ,überlebensfähig‘ war und in dem Fehler passiert sind – und daraus zu lernen und offen für neue Herausforderungen zu sein.“

Diese Einschätzung teilt auch Petra Mathi-Kogelnik, die als Geschäftsführerin der Drogeriemarktkette DM Österreich für das Ressort Mitarbeiter zuständig ist. Führungskräften aus insolventen Unternehmen stehe es gut an, Loyalität zum bisherigen Arbeitgeber zu zeigen, keine Interna auszubreiten und die Situation als Tatsache anzuerkennen. Wichtig sei, „nicht über die persönliche Situation zu lamentieren, sondern eine positive Grundhaltung zu zeigen“.

Märchen erzählen ist zwecklos

„Vertrauen ist in schwierigen Situationen das Um und Auf“, sagt Michael Pichler, Personalchef der Alpine Group rückblickend auf die Zeit vor der Insolvenz. Gerade dem mittleren Management Märchen zu erzählen sei zwecklos, könne es die Lage doch gut einschätzen.

Lange hätten die Alpine-Führungskräfte an die Zukunft des Unternehmens geglaubt, sagt Pichler. Sie hätten aber an Alternativen gedacht und sich auf dem Arbeitsmarkt umgesehen. Pichler hatte die Anspannung an Details bemerkt: „Der Wunsch nach Schriftlichkeit nahm zu. Kollegen wollten vertragliche Einzelheiten ausformuliert wissen und Unklarheiten wurden viel rigoroser angesprochen.“

Was bleibt für den Personaler jetzt zu tun? „Als Personalmanager ist man sicher nicht der Erste, der das Boot verlässt“, sagt Pichler. Er stellt gerade eine interne Jobbörse auf und kümmert sich mit seinem Team darum, dass Insolvenz-Entgelt-Fonds und Betriebsrat alle Informationen erhalten: „Ich will meine Arbeit abschließen und in den Spiegel schauen können.“

Auf einen Blick
Definieren. Für Manager aus insolventen Betrieben gilt es, für neue Arbeitgeber berechenbar zu sein: die eigenen Kompetenzen, Werte, Stärken und Schwächen für sich klar und kantig festzulegen.

Präzisieren. Welche Führungskulturen und -stile liegen mir? Welche Aufgaben will ich künftig (nicht mehr) übernehmen?

Analysieren. Das Vergangene klären: Trage ich Verantwortung für den Misserfolg? Und was kann ich aus den Fehlern lernen?


("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2013)


Donnerstag, 11. Juli 2013

Outplacement ist kein Sprint, sondern ein Marathon

10 Stunden Outplacement-Beratung (entspricht 10 Wochen) wird in manchen Outplacement-Ausschreibungen als adäquat angesehen. “Das ist eine Alibihandlung gegenüber den Gekündigten! Mehrstufige Bewerbungsprozesse lassen eine erfolgreiche Suche in 10 Wochen nur zufällig zu”, sagt Walter Reisenzein (Geschäftsführer von Lee Hecht Harrison / DBM). Wie lange solche Prozesse dauern, schildert ein Betroffener.

Quelle: http://www.hrweb.at/2013/07/outplacement-ist-kein-sprint/

Freitag, 5. Juli 2013