Dienstag, 16. Dezember 2008

Hohe Management-Gehälter in der Krise

Elitemanager mit ihren Topgehältern müssen derzeit als mediale Prügelknaben herhalten. Es ist aber legitim zu fragen, ob die kurzfristig orientierten Bezahlungssysteme die derzeitige Krise mitbewirkt haben - Kommentar der anderen von Matthias Kopetzky

Sieht man sich die Gehaltsentwicklung vor allem in der nun die Krise auslösenden Finanzindustrie an, so könnte man sie auch als mittelbare Ursache der Krise interpretieren. Wer seine Boni in Quartalen, Bilanzjahren und diversen Einmaleffekten bemisst, wird nur Produkte entwickeln, die sich an dieser Kurzfristigkeit orientieren. Langfristdenken und Nachhaltigkeit sind solchen Systemen fremd. Extrem formuliert wurde kurzfristigem Quartalerfolgsdenken z. B. in der US-Autoindustrie möglicherweise das langfristige Überleben des Industriezweigs geopfert. Die meisten Boni sind schon ausgezahlt.

Es stellen sich zwei Fragen: Erstens: Stimmt die Gehaltshöhe?

Wenn man mit den "betroffenen" Spitzenmanagern über Managergehälter diskutiert, so dauert es nur Sekunden, bis das entscheidende Argument auf dem Tisch liegt: die Verantwortung. Spitzenmanager entscheiden täglich über das wirtschaftliche Schicksal vieler Menschen. Agieren sie "gut", dann werden Jobs geschaffen, gesichert, und die Wirtschaft entwickelt sich. Der Spitzenmanager ist auch - neben drohendem Jobverlust - einer Reihe von Gefahren ausgesetzt. Er ist von Haftungen und sonstigen gesetzlichen "Bedrohungen" förmlich eingekreist.

Klima des Nichtwissenwollens

Wenn man sich das Gros der Wirtschaftsstrafprozesse in Österreich ansieht, dann ist dieses Risiko für Manager von Klein- und Mittelbetrieben auch sehr real. Nur verdienen die keine Millionen. Die oberste Management-Elite wird ganz selten zur ultimativen, nämlich strafrechtlichen, Verantwortung gezogen. Und wenn doch einmal (Bawag), dann bekommt die gehaltsdefinierende Verantwortung ein ganz anderes Gesicht. In einem Klima des Nichtwissens, Nichtwissenwollens und scheinbaren Wegschauens hat sich die Verantwortung, welche einmal das eigene Spitzengehalt begründete, faktisch völlig in Luft aufgelöst.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die von jeglicher Verantwortung freigesprochenen Co-Vorstände einer burgenländischen Bank, was strafrechtlich ganz sicher seine Richtigkeit gehabt hat. Bleibt nur die Frage, ob die dort über Jahre bezahlten Vorstandsgehälter verantwortungsadäquat gewesen sind oder nicht.

Wenn man also davon ausgeht, dass sich die Verantwortung eines Managers in den 50er-, 60er- oder 70er-Jahren nicht so dramatisch anders dargestellt hat als heute, so stimmt die Gleichung "Verantwortung = Gehalt" also nicht mehr.

Inflation der Topgehälter

Topgehälter entstehen in einem Meinungsbildungsprozess innerhalb der Managementelite. Was ein angemessenes Topgehalt ist, bestimmt der Aufsichtsrat, welcher selbst Vorstand in einer anderen AG ist oder war. Die Gehaltshöhe orientiert sich an der kurzfristigen Performance des Bilanzjahres und der Größe des Unternehmens. Die Höhe des Verdienstes sagt auch etwas über die Stellung in der Hierarchie aus. Das führte zu einer Inflation der Topgehälter und zu deren Abkoppelung von der allgemeinen Gehaltsentwicklung.

Zweitens: Stimmt der Auszahlungsmodus? Selbst wenn wir die Höhe der Topgehälter einmal außer Streit stellen, so bleibt der Modus als ein weiterer, indirekter Krisenauslöser. So wie sich die Situation in vielen Unternehmen, vor allem Banken, darstellt, war das letzte Jahr und eigentlich auch das laufende bis vor kurzem gar nicht schlecht. Erfolgsorientierte Bonifikationen wurden also verdient. Und sie harren der Auszahlung - am besten gleich mit den staatlichen Stützungen.

Bei Geschäftsführern von Klein- und Mittelbetrieben wird in der Krise laut OGH (vgl 14Os158/03; 12Os53/06w) gefordert, nur das dem Unternehmen als Gehalt zu entnehmen, was zur "allerbescheidensten Lebensführung" notwendig ist. Wenn ein auch nur annähernd ähnliches Maß für die Gehälter von Vorständen und Geschäftsführern in krisenhaften Großunternehmen (staatliche Stützungen) gilt, wird ein Blick in die Jahresabschlüsse dieses Bilanzjahres spannend werden.

Die kurzfristigst orientierten Erfolgsbeteiligungen führen zum Effekt "Take the money and run". Wenn die zahlungsauslösenden Bilanzzahlen erreicht sind, ist die Sache gelaufen. Dazu passen die häufig nur mehr kurzen Jobverweildauern, die nur ja keinen Konjunkturzyklus lang andauern dürfen, sonst könnte man als Topmanager ja noch von den eigenen Produkten (Problemen) eingeholt werden. Häufiger Wechsel ist also geradezu notwendig, um eine Messung der Nachhaltigkeit gar nicht erst möglich zu machen.

Es genügt demnach, ein Produkt - sagen wir Zertifikate auf Zertifikate auf US-Hypothekarkredite - erfolgreich zu "launchen", und schon sind Prämien und der Unternehmenserfolg ausgemacht. Die Forderung nach einer Rückführung aller aus diesen Trash-Produkten abgeleiteten Provisionen und Boni ist noch nicht aufgetaucht. Die Auszahlungen erfolgen prompt, die Probleme zahlen andere, z. B. die Steuerzahler.

Ansätze einer Lösung

Jede Krise birgt auch Chancen. Wenn man davon ausgeht, dass sich ein wesentlicher Teil der Managementelite aus der Nachhaltigkeit verabschiedet hat, weil auch die Gehaltssysteme dazu verleiten, dann sollten ordnungspolitische Eingriffe des Staates in diesen Bereich erfolgen. Nicht nur der Einsatz von Steuergeldern gibt der Politik dieses Recht, es ist in Anbetracht der gravierenden Fehlentwicklung eigentlich ein Auftrag.

Managementgehälter müssen an Kontinuität und stetige Unternehmensentwicklung gebunden werden. Es würde vermutlich genügen, nur die Auszahlungsmodi in Richtung Langfristigkeit zu regeln. Der Erfolg des Jahres 2007 ist nur dann ein Erfolg, wenn er nicht auf Kosten der Jahre 2008 bis 2015 erreicht wird. Wenn schon im Jahr 2007 ein Gehalt von fünf Millionen Euro verdient werden muss, dann sollte zumindest die Auszahlung gestaffelt und an den Erfolg der folgenden Perioden gebunden sein. Jährlich wird ab 2008 je eine Million von den fünf ausbezahlt, wenn es das jeweilige Jahr hergibt. Wenn nicht, ist die jeweilige Million verloren.

Zu erwarten ist, dass im Topmanagement damit das Interesse an der langfristigen Entwicklung zunimmt - sogar über das eigene Mandat hinaus. Je kontinuierlicher die Unternehmensentwicklung ist, desto sicherer ist auch die Auszahlung der Gehälter. Ziel des Gesetzgebers muss es sein, die Auszahlung dieser Gehälter über möglichst lange Zeiträume zu strecken, um damit das Interesse an einer langfristig gesunden Entwicklung des eigenen Unternehmens beim Management zu fördern.

Kurzfristig orientierte Zielsysteme verstärken zyklische Entwicklungen und benachteiligen Topmanager mit Interesse an Nachhaltigkeit. Statt in die Zukunft in Zertifikate zu investieren führt zu Krisen wie der gegenwärtigen. (Quelle: DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.12.2008)
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