Sonntag, 3. Oktober 2010

Ich sag mir, ich kann nicht, daher probiere ich es erst gar nicht..

In Indien setzt man Elefanten für die Arbeit im Wald ein. Und damit junge Elefanten nicht weglaufen, kettet man sie mit einem Fuß an einen Pfahl. Der kleine Elefant versucht wegzulaufen, die Kette hält ihn fest und er merkt, dass er nicht wegkommt. Der Elefant wird irgendwann größer. Bald ist er so stark, dass er die Kette zerreißen könnte. Aber er versucht es nicht mehr. Schließlich hat er ja als kleiner Elefant gelernt, dass es nichts nutzt, sich gegen die Kette zu wehren. Am Ende reicht sogar ein dünnes Seil, um einen Elefanten am Weglaufen zu hindern.

Es sind also nicht die realen Gegebenheiten, die den Elefanten in Gefangenschaft halten. In Wirklichkeit müsste der Elefant nur einmal kräftig ziehen und das Seil würde reißen. Aber er probiert es nicht. Weil er nicht daran glaubt, dass es funktionieren würde.

Nicht so schlau, oder? Das denkt man jedenfalls zuerst. Bis einem auffällt, dass wir Menschen nicht selten ganz genauso sind!

Der Elefant glaubt zu wissen: Es hat ja doch keinen Sinn, deswegen versuche ich es erst gar nicht. Und Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie so etwas auch schon einmal gedacht?

Oft glauben wir, wir können etwas nicht, deswegen probieren wir es erst gar nicht. Oder wir tun etwas nicht, das wichtig für uns wäre, weil es vermeintlich gute Gründe dagegen gibt. Gründe, die oft nur in unserem Kopf existieren. Oder Gründe, die mit ein bisschen Einfallsreichtum aus dem Weg zu räumen wären.

Bei anderen können wir das ziemlich gut erkennen: Wenn Karl nur mehr als sich glauben würde und wenn er nur aus der Hüfte kommen würde, dann könnte er so viel erreichen. Und wenn Susi endlich aufhören würde, die Schuld nur bei ihrem Mann zu suchen, und selbst auch etwas ändern würde, dann hätten die beiden noch eine Chance.

Bei anderen sehen wir es. Was im Umkehrschluss wohl heißt, dass andere es bei uns auch gut erkennen können. Denn wir sind ja alle gar nicht so unterschiedlich.

"Eine neue Beziehung? Ne, lass' mal… Männer sind einfach nicht beziehungsfähig."

"Meinem Chef sagen, was mir stinkt? Ne, gegen die da oben kannst du sowieso nichts ausrichten."

"Noch mal das studieren, was mir wirklich am Herzen liegt? Ne, dann müsste ich ja mein Auto verkaufen und könnte nicht mehr 3 mal pro Jahr in den Urlaub fahren…"

Das Gemeine an unseren ganzen Gründen, Erklärungen, Ausreden und Entschuldigungen ist, dass wir sie wirklich für wahr und realistisch halten. Und meistens reagieren wir ziemlich unwirsch, wenn uns jemand nahelegt, dass unsere Sichtweise vielleicht nicht 100% mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Das kann uns richtig nerven oder sogar sauer machen. Wir verteidigen unser Seil, das uns festhält, oft mit Händen und Füßen. Ist mir jedenfalls schon passiert.

Wir Menschen sind manchmal wirklich nicht so viel schlauer als ein Elefant.

Was kann man nun tun, wenn der Schmerz unserer Gefangenschaft zu groß wird? Hier 5 Ideen dazu:

  1. Versuchen Sie sich immer wieder klarzumachen, dass alle Ihre Gründe gegen eine Veränderung eventuell nur in Ihrem Kopf existieren oder nur starke Vereinfachungen der Wirklichkeit sind. Das erfordert natürlich eine gewisse psychologische Flexibilität, die eigenen Gedanken nicht für die Wahrheit zu halten.

  2. Machen Sie ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn alle Gründe gegen die Veränderung plötzlich verschwunden wären. Was würden Sie dann tun? Was wären dann Ihre nächsten Schritte?

  3. Fragen Sie sich immer wieder: “Möchte ich lieber an meinen Gründen oder Ausreden festhalten? Oder möchte ich lieber frei sein?” Und ziehen Sie aus der Antwort Ihre Konsequenzen.

  4. Stellen Sie sich bildlich vor, dass all die Gründe gegen die Veränderung wirklich ein Seil wären, das Sie an Ihrer augenblicklichen, schmerzhaften Situation festbindet. Und dann stellen Sie sich vor, Sie würden das Seil mit einer großen Schere durchschneiden. Vielleicht hilft Ihnen diese Visualisierung.

  5. Kultivieren Sie die Frage: “Und wie würde man es trotzdem hinbekommen?” Immer wenn Sie eine Ausrede oder einen Grund gegen eine mögliche Veränderung finden, kontern Sie diesen Grund mit der Frage “Und wie könnte man es trotzdem hinbekommen? Wie haben es andere geschafft? Was bräuchte ich noch, um es trotzdem zu schaffen?” Durch diese Fragen bewegen Sie sich langsam von einer problemorientierten zu einer lösungsorientierten Sichtweise.

Seien Sie schlauer, als die Elefanten. Lassen Sie sich nicht von Dingen festhalten, die es vielleicht gar nicht gibt. Schneiden Sie Ihr Seil durch und befreien Sie sich.