Samstag, 12. März 2011

"Wir stellen nicht nur 08/15-Fragen"

von Maria Kapeller | 07. März 2011, 12:10

Gibt es beim Bewerbungsgespräch so etwas wie "Fangfragen"? Oder, neutraler formuliert: Stellen Personalverantwortliche auf den ersten Blick harmlose oder einfache Fragen, mit denen aber ganz gezielt gewisse Ziele verfolgt werden? derStandard.at hat bei den Personalentscheidern dreier großer Firmen nachgefragt, was es beim Vorstellungsgespräch zu beachten gilt und unter welchen Umständen eine einzige Antwort schon mal dazu führen kann, dass die Jobchancen flöten gehen.

Vorweg: "Richtig" und "falsch" beantwortete Fragen gibt es grundsätzlich nicht. "Es geht vielmehr darum, Sichtweisen und Erwartungshaltungen auszutauschen um gegenseitig einschätzen zu können, ob das Eingehen einer Arbeitsbeziehung sinnvoll ist", erklärt Karl Lang, Leiter der Konzernpersonalentwicklung bei Siemens Österreich. Zwischen "richtig" oder "falsch" könnte man höchstens dann unterscheiden, wenn es sich um fachliche Fragen handelt, so Esther Richter, HR-Leiterin von Ernst & Young Österreich.

Wenn die Beantwortung der Fragen gar nicht mit dem Anforderungsprofil harmoniert, wird es ebenfalls schwierig. Ein Beispiel: Wenn das Unternehmen nach einem teamorientierten Mitarbeiter sucht und sich ein Kandidat als Einzelplayer präsentiert, schwinden die Chancen natürlich dahin. Als "No-Go" nennt Friederike Stern, Department Manager Recruiting & Employer Branding bei der OMV, Lügen oder ungerechtfertigte Beschönigungen des Lebenslaufes. "Besonderen Wert legen wir auf Ehrlichkeit, auf Authentizität und darauf, dass die Person die richtige Erwartungshaltung an und die richtige Vorstellung vom ausgeschriebenen Job hat", so Stern.

Ehrlichkeit oder Schwindel?

Darüber, dass man sich auf jeden Fall authentisch und ehrlich geben soll, herrscht Konsens. "Natürlich sagt man nicht: 'Ich stehe in der Früh nicht gerne auf.' Sowohl Bewerber als auch Unternehmen wollen sich ja möglichst positiv präsentieren", sagt Richter von Ernst & Young. Trotzdem soll man sich nicht als jemanden darstellen, der man nicht ist - denn spätestens in der Probezeit stelle sich die Wahrheit heraus.

Also absolute Ehrlichkeit? "Das ist die Frage. Natürlich soll man nicht all seine Schwächen auf einem Teller präsentieren." Aber man könne durchaus sagen, welche Aufgaben einem besser liegen und in welchen Bereichen man dazulernen möchte. Ein zu perfekter potenzieller Mitarbeiter wirke aber eher "unheimlich". Denn auch in der Arbeitswelt gilt: Fehler sind menschlich. Je offener man zu möglichen "Defiziten" steht, desto höher ist das Potenzial eines Bewerbers einzuschätzen, erläutert OMV-Rekruterin Stern. Allgemein gilt: Lügen oder Fälschungen kommen immer irgendwie ans Licht - wenn vielleicht auch zu einem späteren Zeitpunkt.

Irritierende Fragen

Beim Vorstellungsgespräch ist es Usus auch Fragen zu stellen, die vordergründig harmlos wirken, es aber in sich haben, weil damit ganz konkrete Ziele verfolgt werden. Fragen dieser Art gelten nicht als "Fangfragen" sondern als eine Möglichkeit, den Bewerber innerhalb kürzester Zeit kennen zu lernen. "Natürlich stellen wir nicht ausschließlich 08/15-Fragen", bestätigt Stern von der OMV. Eine Frage, die irritierend - weil unerwartet - gestellt wird, könne dem Interview eine ganz andere Richtung geben und helfen, hinter das Eingelernte zu blicken, die Authentizität des Befragten einzuschätzen. Es genüge nicht, sich auf klassische, zu erwartende Fragen zu beschränken.

Gerade wenn es um Kompetenzen und Erfahrungen geht, formuliert man Fragen so, dass nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, was man eruieren möchte, erklärt Siemens-Personalentscheider Lang. Das bewirkt einerseits, dass der Bewerber die Antworten offen formulieren kann. Andererseits verhindert es, dass er "erwünschte Antworten" liefert, mit denen der Interviewer nichts anfangen kann. Ein Beispiel: Direkte Fragen wie "Sind Sie teamorientiert?" sind wenig sinnvoll, weil die Antwort ohnehin "Ja" lauten wird. Der Interviewer wird eher nach einer Situation fragen, in der der Bewerber besonders auf seine Kollegen oder sein Team angewiesen war, so Lang. "Was war in der Zusammenarbeit für ihn wichtig? Worauf hat er in der Kommunikation mit seinen Teammitgliedern geachtet? Wie hat er zum Erfolg des Teams beigetragen?"

Eine einzige Frage kann entscheiden

Fazit: Man soll versuchen, im Bewerbungsgespräch ehrlich und authentisch sein und sich auf unerwartete Fragen gefasst machen. Was aber, wenn man sich eine Weile ganz gut schlägt und plötzlich so richtig ins Fettnäpfchen tritt? Kann eine einzige Frage den ersehnten Job kosten? Grundsätzlich sehen die Personalentscheider das nicht so streng, weil man ja nicht in Kategorien wie "falsch" oder "richtig" denkt, sondern ein authentisches Gegenüber und nachvollziehbare Antworten erwartet. Es geht um Gesamteindruck, Persönlichkeit und Potenzial.

Wenn aber bestimmte Kriterien unbedingt erfüllt werden müssen, kann schon eine einzige Antwort die Chancen minimieren. Ein Beispiel dafür nennt HR-Leiterin Richter von Ernst & Young: "Wir sind ein internationales Unternehmen, in dem man mobil sein sollte. Wenn jemand seinen Lebensmittelpunkt ausschließlich in Wien sieht, könnte das ein Nachteil sein." Einmal habe ein Bewerber auf die Frage nach der Mobilität sogar geantwortet: "Ich bin ja kein Fernfahrer."

(Maria Kapeller, derStandard.at, 7.3.2011)