Montag, 13. Februar 2012

Erfahrung ist der beste Lehrmeister. Nur das Schulgeld ist teuer. - Ältere Mitarbeiter

Der Geschäftsführer des Zulieferers verpackte seine Hiobsbotschaft in Zuckerguss: »Wir wollen den Jüngeren die Chance geben, mehr Verantwortung zu übernehmen.« Im Klartext hieß das: Mitarbeiter von über 55 Jahren sollten mit einer Abfindung vom Hof gejagt werden. Die Logik dahinter breitet sich in Firmen wie eine Seuche aus: Weil ältere Arbeitnehmer die höchsten Gehälter bekommen, scheint ihre Entlassung die höchste Einsparung zu bringen.

Hat mal jemand überlegt, dass man mit derselben Logik auch das gesamte Top-Management rauswerfen könnte? Vielleicht wäre das die bessere Idee, denn die Milchmädchen-Manager übersehen: Je älter ein Mitarbeiter ist, je länger er für die Firma arbeitet, desto kostbarer ist seine Erfahrung. Wer weiß, wie der schwierige Großkunde tickt? Nur derjenige, der ihn seit Jahrzehnten betreut und ihm die Wünsche von den Augen abliest. Wer weiß, welche Projektideen schon vor Jahrzehnten gescheitert sind, weil sie sich mit der Kultur der Firma stoßen? Nicht der Neuling, der mal eben an Bord der Firma springt, sondern derjenige, der schon etliche Tiefs durchsegelt und für seinen Lehrmeister, die Erfahrung, viel teures Schulgeld bezahlt hat (um es mit Thomas Carlyle zu sagen).
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Die älteren Mitarbeiter sind die Einheimischen im Land der Firma. Sie können jüngeren Mitarbeitern, auch frischen Managern, mehr über die Firma, die Fettnäpfe und das Fach vermitteln, als es der beste Trainer von außerhalb könnte. Wer Teams aus erfahrenen und jungen Mitarbeitern bildet, schafft eine glückliche und nachweisbar effektive Symbiose. Der Pioniergeist paart sich mit der Erfahrung. Daraus können Spitzenleistungen wachsen.

Dagegen gleicht die Entlassung der Älteren einer Selbstzerfleischung. So habe ich in einem norddeutschen Konzern erlebt, dass ältere Ingenieure reihenweise in die Frührente gescheucht wurden. Doch ein halbes Jahr später stand ein schwieriges Projekt mit einem Stammkunden aus Fernost an. Und die Nachwuchs-Ingenieure bekamen es einfach nicht auf die Reihe. Wen hätten sie auch fragen sollen? Also ging der Konzern auf die frisch Verrenteten zu und bekniete sie, als freie Berater das Projekt zu begleiten. Die Honorare, die jetzt gefordert wurden, lagen weit über den ehemaligen Gehältern. Doch das Projekt, das um ein Haar zum Verlust des Kunden geführt hätte, lief bald wieder rund. Und die Jungen hatten viel fürs nächste Mal gelernt.

Quelle: Personalpolitik: Das Zitat... und Ihr Gewinn | Karriere | ZEIT ONLINE