Steve DeShazer, der Begründer der Systemisch-LösungsFokusierten Kurzzeittherapie, angesichts des zu Ende gedachten Konstruktivismus: „Das Beste, was zwischen zwei Menschen erreicht werden kann, sind nützliche Missverständnisse.“
Am leichtesten zu sehen im Vergleich zwischen Mann und Frau.
Der folgende Dialog, im Netz gefunden, ist ein gutes Beispiel.
Einem Mann namens Kurt gefällt eine Frau namens Inge. Er fragt sie, ob sie ins Kino gehen will, sie sagt ja, und beide verbringen einen sehr lustigen Abend.
Ein paar Tage später lädt er sie zum Abendessen ein, und sie haben wieder viel Spaß. Fortan treffen Sie sich regelmäßig, und nach einiger Zeit trifft sich keiner von beiden mit irgendjemand anders mehr.
Eines Abends, als sie nach Hause fahren, schießt ein Gedanke durch Inges Kopf, und, ohne richtig drüber nachzudenken, spricht sie ihn aus: “Ist Dir klar, dass wir uns mit dem heutigen Abend seit genau 6 Monaten treffen?”
Stille.
Inge kommt die Stille sehr laut vor. Sie denkt: “Oje, ob es ihn nervt, dass ich das gesagt habe? Vielleicht fühlt er sich durch unsere Beziehung eingeschränkt, oder er fühlt sich von mir in eine Pflichtrolle gedrängt”
Und Kurt denkt “Stimmt, 6 Monate.”
Und Inge denkt: “Moment, ich bin gar nicht sicher, ob ich so eine Art Beziehung will. Manchmal hätte ich lieber mehr Freiraum, ich werde Zeit brauchen, mir zu überlegen, ob ich so weiter machen will. Ich meine, wo führt uns das hin? Wird es immer so weiter gehen, oder schreiten wir auf eine Ehe zu? Vielleicht sogar auf Kinder? Darauf, unser restliches Leben miteinander zu verbringen? Bin ich bereit, diese Verpflichtung einzugehen? Kenne ich diesen Menschen überhaupt?
Und Kurt denkt: “Hm, das heißt, es war … mal sehen … Februar … als wir anfingen, uns zu treffen, das war gleich nachdem ich das Auto beim Service hatte, das heißt … wie ist der Kilometerstand? Au weia! Die Karre ist überfällig für einen Ölwechsel!”
Und Inge denkt: “Er ist besorgt. Ich sehe es in seinem Gesicht. Vielleicht war mir nicht ganz klar, wie er die Sache sieht. Vielleicht will er mehr von unserer Beziehung, mehr Intimität, eine tiefere Bindung, vielleicht hat er, sogar schon vor mir, gespürt, dass ich mich zu sehr zurückhalte. Ja, das ist es. Deswegen spricht er so selten über seine Gefühle. Er hat Angst, zurückgewiesen zu werden.”
Und Kurt denkt: “Die sollen sich auf jeden Fall noch einmal das Getriebe ansehen. Ist mir völlig egal, was diese Deppen sagen, die Schaltung funktioniert noch immer nicht richtig. Und diesmal können sie es auch nicht aufs kalte Wetter schieben. Wir haben 30 Grad, und das Ding hier schaltet sich wie ein Lastwagen von der Müllabfuhr. Und ich habe diesen inkompetenten Gaunern 1200 Euro bezahlt.
Und Inge denkt: “Er ist sauer. Ich kann’s ihm nicht übel nehmen, ich wär’s auch. Ich fühle mich so schuldig, ihm das anzutun, aber ich kann nichts für meine Gefühle, ich bin einfach unsicher.
Und Kurt denkt: “Wahrscheinlich werden sie sagen, es gibt nur 90 Tage Garantie, diese Säcke!”
Und Inge denkt: “Wahrscheinlich bin ich viel zu idealistisch, und warte auf einen Ritter auf einem weißen Pferd, während ich hier neben einem superlieben Menschen sitze, einem Menschen, mit dem ich gern zusammen bin, um den ich mich wirklich sorge und der sich wirklich um mich sorgt. Einem Menschen, der wegen meiner selbstherrlichen Schulmädchenfantasien leiden muss.
Und Kurt denkt: “Garantie? Die reden von Garantie? Können sie haben, ich nehme ihre Garantie und stecke sie ihnen in …”
“Kurt”, sagt Inge laut.
“Was?” sagt Kurt ängstlich.
“Bitte quäl dich nicht so”, sagt sie, während sich ihre Augen mit Tränen füllen. “Vielleicht hätte ich niemals … Oh Gott, ich fühle mich so …”
Sie verstummt, schluchzt.
“Was?” sagt Kurt hilfesuchend.
“Ich bin so dumm”, schluchzt Inge, “Ich meine, ich weiß, dass es nie einen Ritter geben wird. Es ist so dumm. Weder einen Ritter noch ein Pferd.”
“Es gibt kein Pferd ?”, fragt Kurt noch mehr beunruhigt.
“Du denkst auch, dass ich dumm bin, oder?”, sagt Inge.
“Nein!”, sagt Kurt, froh, endlich eine richtige Antwort zu haben.
“Die Sache ist die … es ist einfach so … ich brauche ein wenig Zeit”, sagt Inge.
Es entsteht eine 15-sekündige Pause, in der Kurt versucht, so schnell er kann mit einer sicheren Antwort aufzuwarten. Endlich fällt ihm etwas ein, das funktionieren sollte.
“Ja”, sagt er.
Inge, tief bewegt, berührt seine Hand: “Oh Kurt, denkst du wirklich so darüber?” fragt sie.
“Worüber?” fragt Kurt.
“Über ein wenig mehr Zeit” sagt Inge.
“Oh”, sagt Kurt, “Ja.“ froh, wieder eine richtige Antwort zu wissen.
Inge dreht sich zu ihm und sieht ihm tief in die Augen, was ihn wieder etwas unruhiger macht in Bezug darauf, was sie als nächstes sagen wird, besonders, wenn darin ein Pferd vorkommen sollte. Endlich spricht sie.
“Danke, Kurt”, sagt sie.
“Ich danke Dir:”, sagt Kurt
Dann bringt er sie nach Hause, wo sie sich auf ihr Bett legt, eine von Konflikten geschüttelte, gequälte Seele, und bis in den Morgen weint.
Kurt fährt nach Hause, holt sich eine Tüte Chips, dreht den Fernseher auf, und wird schnell von der Wiederholung eines Tennismatchs zwischen zwei Neuseeländern, von denen er noch nie was gehört hat, in den Bann gezogen. Eine leise Stimme irgendwo in seinem Kopf sagt ihm, dass heute im Auto höchstwahrscheinlich etwas wirklich wichtiges passiert ist, aber er ist sich sicher, dass er niemals verstehen würde, was das war, also beschließt er, es besser gleich bleiben zu lassen.
Am nächsten Tag wird Inge mehrere beste Freundinnen anrufen, und mit ihnen Stunden lang über die ganze Sache reden. In sorgfältiger Detailarbeit werden sie alles was sie sagte, und auch alles was er sagte, analysieren, jedes Wort, jeden Ausdruck, jede Geste, um Nuancen in der Bedeutung des gesagten zu finden, und um jede mögliche Variante durchzugehen. Das ganze wird sich wochenlang, wenn nicht monatelang hinziehen, ohne jemals in einer plausiblen Schlussfolgerung zu enden, aber auch, ohne jemals langweilig zu werden.
Irgendwann während dieser Zeit wird Kurt, während eines Squashmatches mit einem Freund, der sie beide kennt, kurz innehalten und fragen “Du Peter, hat Inge dir gegenüber eigentlich mal was von einem Pferd erwähnt?“.
Am schlimmsten finde ich: Wenn man es liest, weiß man, es ist nur wenig überzeichnet, wenn überhaupt!