Dienstag, 11. Januar 2011

Multitasking: Die Lüge vom schnellen Arbeiten

Zeitmanagement ausschlaggebend

Telefonieren, tippen und gleichzeitig aus einem Papierstapel ein Dokument heraussuchen: Wer glaubt, seine Bürotätigkeiten schneller erledigen zu können, wenn er versucht, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen, irrt sich. Multitasking reduziert die Arbeitsleitung und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man für die Aufgaben länger braucht und dass dadurch die Rückstände explodieren.

Eine Studie von zwei italienischen und einem amerikanischen Wissenschaftler zeigt, dass es wenig Sinn hat, im Büro Tätigkeiten parallel zu erledigen. Die Studie untersuchte die Arbeitsleistung von über 30 italienischen Richtern, die im Laufe mehrerer Jahre mehr als 38.000 Fälle abgearbeitet haben. Unterteilt in Quartale, errechneten die Autoren, wie lange die Richter durchschnittlich brauchten, um einen Prozess abzuschließen und von welchen Faktoren die Dauer abhängt.

Die Studie zeigt, dass die individuelle Arbeitsgeschwindigkeit nicht nur vom Aufwand, den persönlichen Fähigkeiten und Erfahrungen abhängt. Vielmehr ist das Zeitmanagement der Person ein wesentlicher Faktor, der die Dauer von Arbeitsleistungen beeinflusst.
Überforderung droht

Die Arbeit jener Richter, die Fälle möglichst nacheinander abwickelten und versuchten, Prozesse abzuschließen, bevor sie sich einem neuen widmeten, erwies sich deutlich effektiver als die Tätigkeit jener, die an vielen Fällen gleichzeitig arbeiteten. Jene, die parallel an mehreren Fällen arbeiteten, schienen, so die Studie, überfordert zu sein, worunter ihre Arbeitsleistung litt.

Der Performanceunterschied der einzelnen Richter war laut Studienautoren beachtlich und kann nicht lediglich auf Erfahrungen, Fähigkeiten und Aufwand zurückgeführt werden. Jene, die versuchten, nur wenige Prozesse offenzuhalten und mit der Eröffnung eines Prozesses warteten, bis der vorherige abgeschlossen war, erledigten mehr Fälle in der gleichen Zeiteinheit als andere.
Weniger Rückstände am Quartalsende

Damit halten sie ihren Arbeitsrückstand klein, auch, wenn sie die gleiche Menge an Arbeiten erhalten wie ihre Kollegen, die zur selben Zeit mehrere Fälle behandeln. Überdies profitieren die neu begonnenen Tätigkeiten offenbar auch gar nicht davon, dass sie früher in Angriff genommen wurden. Denn effektiv müssen sie dennoch darauf warten, bis die anderen Aufgaben erledigt wurden.

Bessere Qualität durch sequenzielles Arbeiten

Die Studie belegte auch, dass die Qualität der Arbeit jener Richter, die schneller waren, nicht schlechter war als jene der langsamen Richter. Im Gegenteil - anhand der Zahl von Berufungen zeigte sich, dass jene Richter, die Fälle schneller abschlossen, in vielen Fällen offenbar auch bessere Entscheidungen getroffen hatten.

Die Studie versuchte auch herauszufinden, warum manche Richter Multitasking bevorzugten. Ein wichtiger Faktor dabei scheint der Druck von Lobbyingparteien zu sein, die versuchen, Prozesse voranzutreiben. Dadurch würden die Richter die Anzahl der Fälle weiter erhöhen, was die Fertigstellung aller Fälle verzögere. Obwohl es hier um eine spezielle Berufsgruppe gehe, gelten die Ergebnisse auch für andere Systeme, in denen Angestellte mit unterschiedlichen Interessensgruppen zusammenarbeiteten, sind die Wissenschaftler überzeugt.

Quelle: orf.at