13.01.2012 | 10:19 | Andrea Lehky (Die Presse)
Nach der Kündigung ein Outplacement-Angebot zu bekommen, gleicht dem ersten Sonnenstrahl nach der Regenzeit. Wer zugreift, hat ein fast 100-prozentiges Ticket für den nächsten Job.
Das AMS beschönigt nicht. Ja, die Arbeitslosenzahl steigt wieder an, bestätigt AMS-Sprecherin Beate Sprenger. Im Jahresschnitt 2012 werden bis zu 15.000 Personen mehr als im Vorjahr ohne Job dastehen. Aber so schlimm wie 2009 wird es nicht werden. Da stieg die Arbeitslosigkeit um 48.000 Personen.
Damals haben Unternehmen das Instrument des Outplacements für sich entdeckt. Langjährige und verdiente Leider-nicht-mehr-Mitarbeiter werden erst emotional aufgefangen und dann professionell und straff in eine neue Zukunft geleitet.
Trennungsbewältigung, Situationsanalyse, Berufsorientierung, Zielarbeit und aktive Arbeitssuche heißt das dann im Beraterdeutsch und bedeutet: alles, bis auf die Jobsuche. Um die muss man sich selbst kümmern.
Natürlich sind Unternehmen bei dieser finanziell aufwendigen letzten Gabe nicht von reinem Gutmenschentum getrieben. Dahinter steht (auch) das Motiv, weder das interne Betriebsklima noch die öffentliche Reputation mit Patzen auf der weißen Weste zu belasten. Denn ein solcherart wertgeschätzter Exmitarbeiter wird sein Leid weder dem Anwalt noch den Medien klagen.
Erfolgsgarant
Die Erfolgsquote gibt dem Trennungsinstrument Outplacement recht. Mehr als 95 Prozent der Betreuten finden eine neue Anstellung, wagen den gut vorbereiteten Schritt in die Selbstständigkeit oder entdecken Arbeitsformen für sich, die ihnen als Nine-to-five-Worker noch unbekannt waren.
Seit Herbst steigt die Nachfrage wieder, bestätigt Konrad Fankhauser, Geschäftsführer von „Die Berater“. Wobei er themenbedingt nicht von riesigen Zahlen redet – der Segen wird denkbar selektiv vergeben. Im Vorjahr hat er 15 Projekte mit ein bis 20 Teilnehmern abgewickelt.
Doch im kurzen Jänner sind schon zwei, bitte diskret zu behandelnde, Anfragen eingetrudelt. Auffallend: Vor drei Jahren stand grundsätzliche Prozessberatung im Vordergrund – wie setze ich das Projekt auf, wie kommuniziere ich schonend Personalabbau? Heute geht es um konkrete Teilsegmente, etwa die Akzeptanz des Betriebsrates oder den exakten Angebotsumfang: „Die Personalisten sind fit“, erkennt Fankhauser an, „sie fragen auf hoher Ebene.“ Auch nach dem Preis: 3200 Euro kostet seine Open-End-Variante pro Person. Unter „Open End“ wird der Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses verstanden, egal, wie lang das dauert.
Comeback-Spekulationen
Frühere Generationen wären nicht zurück in die alte Firma gegangen, weiß DBM-Geschäftsführer Walter Reisenzein: „Die Jungen sind da großzügiger.“ Auch diesen Hintergedanken haben Arbeitgeber im Kopf, wenn sie es sich nicht mit ihren Leuten verscherzen wollen. Sogenannte Bumerangstrategien sind im Kommen: „Wenn die Auftragslage schwächelt, will man im Guten auseinandergehen, damit die Spezialisten später mit den Aufträgen wiederkommen.“
Aktuell sind Finanzdienstleister die größten Nachfrager (Reisenzein: „Wie schon der Hannes Androsch sagte: We are overbanked“), meist wegen Fusionen und Restrukturierungsprojekten. Plus 30 Prozent Anfragen verzeichnet der Outplacement-Berater, der pro Jahr etwa 100 Klienten in eine neue Zukunft begleitet. 10.000 Euro pro Person kostet das unbefristete Service bei ihm. Der Vertrag ist erfüllt, wenn der Betreute seine Probezeit im neuen Job oder die ersten drei Monate Selbstständigkeit überstanden hat.
Newplacement
Auf eine spezielle Variante fokussiert der oberösterreichische Berater Alexander Norman: „Newplacement zielt nicht nur auf die Trennung ab, sondern auf weitere Verwendung im Unternehmensumfeld.“ Anlass sind oft kurzfristig stornierte Aufträge, die sofortige Personalanpassung erfordern: „Die Betroffenen finden oft selbst die Lösungsidee und arbeiten auf Projekt- oder Werksvertragsbasis und im zwischenbetrieblichen Austausch weiter.“
Monatlich verzeichnet Norman mit 20 Anfragen ebenfalls um ein Drittel mehr. Neu: Sie kommen zunehmend aus mittelständischen und gewerblichen Betrieben und betreffen längst nicht mehr Nadelstreif-Professionen. Kostenpunkt: 6000 Euro für ein halbes Jahr.
Es geht auch billiger: Frauen ab 40 Jahren und Männer ab 45 Jahren können sich ein befristetes Outplacement vom AMS Wien oder NÖ finanzieren lassen, wo sie von EUSPUG-Chef Josef Siess gecoacht werden. Dessen Beobachtung: „Der Auswahlprozess aufseiten der Unternehmen wird immer langwieriger. Noch ein Interview und noch eines – ein halbes Jahr hingehalten werden ist ganz normal.“ Eine Tortur für die Arbeitssuchenden, die nach Monaten des „Selbstmarketings“ – und nichts anderes ist Outplacement – nur eines wollen: endlich wieder ins Leisten kommen.
Outplacement oder Stiftung?
Outplacement ist ein Eigen- marketingkonzept, das Gekündigten hilft, beruflich wieder Fuß zu fassen. Explizit ist die Stellenvermittlung nicht Teil des Leistungspaketes, wohl aber die Nutzung sämtlicher Ressourcen des Beraters (z. B. sein Netzwerk). Der Arbeitsaufwand für den Betreuten (Self Assessments, Recherche, Bewerbungen) entspricht dem eines Fulltime-Jobs. Finanziert wird das Outplacement vom früheren Arbeitgeber, oft als Teil der Abfertigung. In der Alternative einer Stiftung, die vor allem bei größeren Personengruppen in Erwägung gezogen wird, werden diese über einen längeren Zeitraum (meist zwei Jahre) finanziell aufgefangen. Die Arbeitssuche gestaltet sich jedoch umso schwieriger, je länger die Betroffenen dem Markt fernblieben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2012)