Achtsamkeit lebt von grundsätzlicher Urteilsfreiheit und umfassender Akzeptanz.
Sie richtet den Fokus bewusst,aber absichtslos auf den Gegenstand ihrer
Wahrnehmung und nimmt alles an, was diesbezüglich ins Gewahrsein tritt,
ohne es zurückzuweisen oder sich daran zu binden. Nicht die Veränderung von
Gedanken und Emotionen wird intendiert,sondern einzig und allein die reine
Wahrnehmung dessen, was ist. Letztendlich ist auch diese akzeptierende Haltung
wiederum absichtslos; jedes noch so wohlmeinende „um zu“ ist ihr fremd.
Sie strebt die Erfahrung ausschließlich um ihrer selbst willen an und lässt allen
Dingen ihr So-Sein. Absichtslosigkeit, Urteilsfreiheit und Akzeptanz können sich
jedoch nur in dem Maße entwickeln, wie das spontan bewertende und kategorisierende
Ich immer weiter in den Hintergrund tritt. Dies geschieht im wesentlichen
dadurch, dass Wahrnehmung und Reaktion – für gewöhnlich eine unreflektierte
Einheit – in der Übungspraxis methodisch konsequent auseinandergehalten
werden. Diese Dynamik ermöglicht über ein verändertes „Bewusst-Sein“
eine direkte, unverstellte Begegnung mit der Wirklichkeit. Indem aber die persönlichen
Wahrnehmungsfilter in ihrer Wirksamkeit abgeschwächt werden, eröffnet
sich gleichzeitig auch die Möglichkeit einsichtsvollen Verstehens.
Der gelassene Umgang mit den vielfältigen Stimmen des Ichs in der Meditation
scheint wesentlich dazu beizutragen, dass die egozentrischen Impulse zur
Ruhe kommen und einer neuen Qualität des Empfindens Raum gegeben werden
kann. So ermöglicht der (vor-)urteilsfreie Umgang mit den eigenen Gedanken und
Emotionen auch einen ehrlichen, wertschätzenden Umgang mit sich selbst. Indem
diese Objekte des Gewahrseins lediglich als mentale Ereignisse gesehen
werden, die entstehen und auch wieder vergehen, verlieren sie ihren bedrohlichen
Charakter; selbst äußerst unangenehme Inhalte können aus dieser Distanz
heraus bewusst wahrgenommen und akzeptiert werden. Dieses achtsame
Selbstgewahrsein trägt zur Entwicklung einer Selbstwertschätzung bei, die nicht
primär an die Einlösung eines idealisierten Selbstbildes gebunden ist. So wird
es möglich, den empfundenen eigenen Unzulänglichkeiten und auch dem persönlichen
Leiden zu begegnen, ohne sich davon verwirren oder herabsetzen zu lassen.
Ein gutes Leben ist durch eine Lebenshaltung charakterisiert,
dank derer sich Menschen und Dinge so zeigen können, wie sie wirklich sind.
Es zeichnet sich durch eine Offenheit für Erfahrung aus, welche Begriffe
und Vorstellungen wieder hinter die Erfahrungswirklichkeiten zurücktreten lässt.
Quelle: Gesprächspsychotherapie und Personzentrierte Beratung 2/07; Maximilian Knoche