Freitag, 25. Februar 2011

"Schwierig, wenn der Dienstgeber nicht mitspielt" - Weiterbildung - derStandard.at › Karriere

"Schwierig, wenn der Dienstgeber nicht mitspielt" - Weiterbildung - derStandard.at › Karriere

300.000 Österreicher bilden sich jährlich neben dem Beruf weiter - Einer davon hat seine Erlebnisse in ein Buch gepackt - Interview

"Erfolgreich berufsbegleitend studieren" heißt das Buch von Jürgen Schiefer: "Ein Absolvent packt aus". Im Interview mit derStandard.at erklärt der FH-Abgänger, was er damit bezwecken will.

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derStandard.at: Wie viele betreiben in Österreich berufsbegleitende Weiterbildung?

Schiefer: Es sind über 300.000 Menschen, die sich jährlich in irgendeiner Form berufsbegleitend weiterbilden. Ob in Kursen, Seminaren oder auf der Uni.

derStandard.at: Ihr Buch ist ein sehr persönlich gehaltener Ratgeber, quasi ein Erfahrungsbericht. Welche Intention verfolgen Sie damit?

Schiefer: Es war als Ratgeber gedacht, weil das Thema sehr viele Leute betrifft. Vielen fehlt die Erfahrung, was auf einen zukommt und wie man sich organisieren kann, um das zeitlich in den Griff zu bekommen. Bei meinem Studium an der FH in Wiener Neustadt habe ich gemerkt, dass sehr viele in den ersten zwei, drei Monaten ausgestiegen sind. Und zwar aufgrund der gleichen Ursachen.

derStandard.at: Wie sehen Ihrer Meinung nach die Einstiegshürden aus?

Schiefer: Der erste Punkt ist die mangelnde Vorbereitung. Statt naiv einfach ins kalte Wasser zu springen, ist es wichtig, im Beruf Vorkehrmaßnahmen zu treffen. Zum Beispiel vorausschauendes Arbeiten, indem man nicht zu Beginn der Weiterbildung einen Rückstau an Arbeit im Büro hat. So lassen sich die neuen Erfahrungen von beruflicher Seite her gelassener angehen.

derStandard.at: Was sollte man in Bezug auf die Abstimmung mit dem Arbeitgeber beachten?

Schiefer: Ich plädiere sehr für offene Karten. Man sollte vorab mit dem Vorgesetzten das Gespräch suchen und fragen, wie er/sie generell zum Thema berufsbegleitende Weiterbildung der Mitarbeiter steht. Da kann man schnell erkennen, ob es einen positiven oder negativen Zugang gibt. Sollte die Einstellung contra sein, muss man halt schauen, dass der Dienstgeber davon so wenig wie möglich tangiert wird. Natürlich ist es schwierig, wenn der Dienstgeber nicht mitspielt.

derStandard.at: Eine Frage des Urlaubs und des Zeitausgleichs?

Schiefer: Durch ein berufsbegleitendes Studium ist man schon sehr mit Arbeit eingedeckt. Als Dienstgeber erwartet man natürlich, dass die Leistung des Mitarbeiters nicht darunter leidet. Im Jänner und Juni sind dann halt extreme Prüfungsphasen, wo Zeitausgleich oder Urlaub konsumiert werden müssen. Das kann schon mit den Interessen des Dienstgebers kollidieren, da ist ein gewisses Verständnis schon sehr wertvoll.

derStandard.at: Inwiefern sind Sie unterstützt worden?

Schiefer: Die Firma hat ein Befürwortungsschreiben aufgesetzt, damit ich überhaupt auf der FH genommen werde. Das war damals Voraussetzung. Aber prinzipiell muss man gleich gut sein, wenn nicht sogar besser, damit man nicht in Verruf kommt, dass aufgrund der Weiterbildung die Arbeitsleistung abnimmt.

derStandard.at: Sie zitieren in Ihrem Buch eine Studie, wonach 45 Prozent der Arbeitgeber den Abschluss einer berufsbegleitenden Ausbildung mit einer Gehaltserhöhung honorieren, 40 Prozent der Unternehmen bieten den Absolventen einen besseren Posten an. Wie viele beteiligen sich an den Kosten?

Schiefer: Rund 50 Prozent der Betriebe beteiligen sich auch an den Kosten, weil das eine unglaubliche Bereicherung an Wissen bedeutet.

derStandard.at: Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit sich Unternehmen an den Kosten der Weiterbildung beteiligen?

Schiefer: Sie beteiligen sich gerne, wenn für sie Ersparnisse oder Zufluss von Know-How herausschauen. Gerade in der Industrie steht man dem ganzen sehr positiv gegenüber, die leben von Innovationen. Und Ideen dafür kann man sich gut auf der Uni holen. Solche Mitarbeiter sind unglaublich wertvoll.

derStandard.at: Welche Garantien können Unternehmen einfordern, dass Mitarbeiter nicht nach der von ihnen finanziell unterstützen Ausbildung einen Abgang machen?

Schiefer: Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitern finanziell unter die Arme greifen, dann gibt es meistens Verpflichtungserklärungen. Oft für eine Dauer von drei Jahren. Kündigt man davor, muss man aliquot einen Teil des Geldes zurückzahlen. Das ist ein faires Modell für alle Beteiligten.

derStandard.at: Man hat nur bestimmte Ressourcen zur Verfügung. Wie teilt man sich die ein, um alles unter einen Hut zu bekommen?

Schiefer: Wichtig ist, dass man sich trotz dieser beiden Dinge, die sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, zumindest einen Tag in der Woche frei nimmt, um sich mit Sachen zu beschäftigen, die man gerne macht und man Energie rausholen kann. So eine Ausbildung dauert oft bis zu vier Jahre und das hält man nicht aus, wenn man sich nicht auch noch mit anderen Dingen auseinandersetzt. Ein wichtiger Energiefaktor ist zum Beispiel der Schlaf. Elementare Punkte sind für mich auch Sport und Ernährung.

derStandard.at: Gibt es ein Idealmodell in Bezug auf die Lernphasen?

Schiefer: Das ist individuell verschieden. Wichtig ist nur, sich die Leistungskurve anzuschauen. Grundsätzlich beginnt sie ab 7 oder 8 Uhr in der Früh zu steigen, findet gegen Mittag den Höhepunkt und beginnt dann zu sinken und hat gegen 15.00 oder 16.00 Uhr ihren Tiefpunkt. Am Abend beginnt sie noch einmal zu steigen, erreicht allerdings nicht mehr die Höhe, die sie am Vormittag gehabt hat. Das steigt von 17.00 Uhr bis ca. 21.00 Uhr und geht dann wieder bergab. Wenn man es sich einteilen kann, wäre es ideal, in diesen hohen Phasen der Leistungskurve zu lernen.

derStandard.at: Wie sehen die Förderungsmöglichkeiten aus?

Schiefer: Da gibt es sehr viele Möglichkeiten. Angefangen von der Bildungskarenz bis zur Förderung durch Stipendien. Bei einem FH-Studium fallen zum Beispiel bis auf die Studiengebühren keine weiteren Kosten an.

derStandard.at: Ihre Empfehlung in punkto Diplomarbeit?

Schiefer: Idealerweise verbindet man das Schreiben mit einem konkreten Nutzen. Dabei muss man nicht unbedingt den finanziellen Aspekt in den Vordergrund stellen, sondern die Kooperation mit dem eigenen oder einem anderen Unternehmen suchen, um etwas zu erforschen. Aufgrund dessen ergeben sich oft hilfreiche Kontakte oder tolle Jobmöglichkeiten. Im Idealfall erhält man dann für die Arbeit auch noch eine Bezahlung. (om, derStandard.at, 24.2.2011)